KAPITEL 6

 

Für Fische „durchgängig“ – dank Wasserkraft

 

Das „Gerberwehr“ in Reutlingen. Bekannt seit etwa 1360. Es wurde nicht einfach zerstört, sondern mit einem Umgehungsbach für Wassertiere ‚ökologisch’ und mit einem modernen Kleinwasserkraftwerk klimafreundlich energetisch aufgewertet.

 

Fand solche Freude Folge-Vorhaben? Klar – in Bayern zum Beispiel. Am Jahrzehnte alten „Wolfzahnauwehr“ Augsburg werkelten 2009/2010 Fachunternehmen für ein neues Kraftwerk. Das 5 Meter hohe und 100 Meter lange Alt-Stauwehr war ursprünglich in den Lech gekommen, um zu verhindern, dass sich der Alpenfluss immer tiefer eingräbt. Vor Jahrzehnten. „Sohlstützung“ nennen das Fachleute. Nur: Für Wassertiere schien es unüberwindbar – zumindest von seiner Unterseite her betrachtet.

Also lagern sich neuerdings unterhalb eines 20 Meter messenden Abschnitt des insgesamt 100 Meter langen Wehrs natürlich wirkende Wackersteine. Auf dieser schiefen Ebene – genannt „raue Rampe“ - rauscht Wasser wie an einer natürlich wirkenden Fluss-Schnelle runter. Naturschutz- und Fischereibehörden stimmten zu. Bezahlt wird das Ganze mit etwa 1 Million Euro aus der insgesamt 10 Millionen Euro umfassenden Baukasse für das neue Wasserkraftwerk direkt am Ufer nebenan. Vielmehr: im Ufer. Denn es fällt kaum auf – so tief liegt es im Erdreich. Trotzdem soll es ab 2010 pro Jahr rund 8 Millionen Kilowattstunden Elektrizität bringen. Genug für etwa 5.000 Privatleute. Heimisch, klimafreundlich, sauber. Stammte die gleiche Strommenge aus einem herkömmlichen Kohlekraftwerk, würden dabei etwa 8.000 Tonnen des Klimagases Kohlendioxid (CO 2) in die Luft entweichen.

Wo vorher eine beachtliche Barriere also Wassertieren das „Wandern“ erschwerte (eher: unmöglich machte) und kein Wasserktriebwerk gearbeitet hatte, weist jetzt die „raue Rampe“ am Wehr Wassertieren den Weg.  U n d   es entsteht klimafreundlich-heimisch gewonnener Strom.

 

Bauherrn am neuen Wasserkraftwerk Wohlzahnauwehr mit ‚rauer Rampe’ für Fische: zwei mittelständische Wasserkraftwerks-Betreiber aus der Lechstadt. Heimische Energie dank heimischem Mittelstand.

 

Das „Wolfzahnauwehr“ Augsburg:

Markantes Beispiel eines „Querbauwerks“ im Wasser. An ähnlichen Gewässerbauten soll es in Deutschland etwa 100.000 geben. Nach Angaben des bisher französisch-südwestdeutschen (Atom-)Strom-Konzerns  EnBW rund 5.000 allein in Baden-Württemberg.

 

Behörden, Naturschutz-Organisationen und Fischereiverbände fordern, möglichst viele dieser „Querbauten“ sollten „durchgängig“ werden. Heißt: „Raue Rampen“ oder Umgehungsbäche („Fischpässe“/“Umgehungsgerinne“) für Wassertiere.

 

Freie Wege für freie Fische – ähnlich dem alten ADAC-Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“? Tatsächlich kennen auch natürlich belassene Bäche und Flüsse solche „Querbauwerke“ (wie den Rheinfall) oder andere „Wanderungshindernisse“ (wie die „Donau-Versickerung“ bei Tuttlingen). Aber wenn Verbände schon mal Ziele festgelegt haben, fällt es umso schwerer, von solchen Forderungen wieder ab zu kehren. Dem haben sich auch Wasserkraft-Vereinigungen wie die mittelständische „Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg eV“ angeschlossen.

Irrtümlich verweisen Naturschutz-Fachbehörden dabei gerne auf die „Wasserrahmenrichtlinie“ der EU.  Nach europäischen Vorgaben seien solche „Umgehungsgerinne“ zwingend vorgeschrieben. Europa-Abgeordnete wie Markus Ferber (Augsburg, CSU) machen dagegen immer wieder gerne darauf aufmerksam, dass die „Durchgängigkeit“ nicht in ganz Europa verlangt wird, also von deutschen Gesetzgebern zusätzlich in die „Wasserrahmenrichtlinie“ geschrieben wurde – als Randbemerkung.

 

Trotzdem: „Durchgängigkeit“ der Bäche und Flüsse für Wassertiere. Anzustreben an 100.000 „Querbauwerken“ in Deutschland – davon an 5.000 in Baden-Württemberg? Ein Ziel. Nur: Wie bezahlen?

 

Die Beispiele Gerberwehr Reutlingen und Wolfzahnauwehr Augsburg zeigen den Weg: mit Wasserkraft. Fischereifunktionäre fordern dagegen immer wieder, der Staat solle doch „Querbauten“ in Gewässern durchgängig machen lassen. Eine wirklich ernst zu nehmende Idee angesichts der Rekordverschuldung der Öffentlichen Hand? Wohl kaum. Denn mehr Staatausgaben  können logischerweise nur bedeuten: Noch höhere Steuern.

 

Vom Wolfzahnauwehr in Bayerisch-Schwaben zurück nach Baden-Württemberg. Dort, in Wangen_Beutelsau), Kreis Ravensburg, unterhält einer der Brüder der neuen Augsburger Wasserkraftanlage Augsburg-Wolfzahnauwehr ebenfalls ein Wassertriebwerk. An der Argen. Der Allgäuer Wasserkraftler ließ seine alte Anlage erneuern. Ergebnis: Um das Stauwehr rauscht jetzt lebendiges Nass, das allerhand Wassertiere auf- und abschwimmen lässt. Wirtschaftlich für den Betreiber in Wangen wichtiger: Das erneuerte Argen-Wassertriebwerk liefert jetzt doppelt so viel Strom übers Jahr wie zuvor. Rund 500.000 Kilowattstunden mehr pro Jahr. Jetzt insgesamt rund eine Million Kilowattstunden.

Die Verdoppelung des Stroms aus Wasserkraft – auch in Wangen/Allgäu neuerdings gut erkennbar.

  

Beispiele wie das Reutlinger Gerber- und das Augsburger Wolfzahnauwehr beweisen dagegen: Mittelständisch lokal ausgeführte und finanzierte Wasserkraft-Bauten bewirken „Durchgängigkeit“   u n d  Klimaschutz. Sie erweisen sich aber auch als wirtschaftlich. Und zwar aus zwei Gründen. Zum einen erzeugen Wasserkraftanlagen Strom. Dessen Verkauf holt irgendwann die Baukosten der Kraftwerke wieder rein. Die dabei erbrachten Umsätze fließen aber nicht zum Ölscheich oder zum Gaspräsidenten. Sie gehen also nicht fremd. Sondern sie werden von kommunalen und mittelständischen Wasserkraftwerken im Inland versteuert. Ein inländischer, regionaler Wirtschaftskreislauf hält so Geld im Land. Bei über 1.000 Euro Pro-Kopf-Ausgaben für Energie pro Jahr in Deutschland kann daraus ein starkes, selbst tragendes Konjunkturprogramm anwachsen. Wie bemerkt: Weitgehend ohne Staatshilfe – aber mit Steuerrückflüssen an die Staatskasse.

 

Solche Vorteile erkannte schon der damalige US-Präsident Franklin Delano Roosevelt. Als er 1933 sein Amt antrat, ließ er am Hochwasser-reichen Fluss Tennessee Dämme und Stauwerke mit Wasserkraftanlagen drin erbauen. Das schuf damals Arbeitsplätze. Die seinerzeit geschaffene „Tennessee authority“ erwies sich als so erfolgreiches Unternehmen, dass sie noch heute arbeitet.

 

Ein beachtliches Konjunkturprogramm – großenteils selbst-tragend – könnte also mit Wasserkraft entstehen. Durch Ausbau, Optimierung, Sanierung und Neubau von Wassertriebwerken. Mit reichlich Arbeitsplätzen. Allein gut 5.000 im deutschen Südwesten, wie  die mittelständische „Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg eV“ (AWK) meint.

Und die AWK kennt sich aus vor Ort. Mit fast 700 Mitgliedern gilt sie als einer der stärksten Landesverbände für Erneuerbare Energien überhaupt in Deutschland. Mit Jahrzehnten geknüpften Kontakten in Parlamente von Stuttgart über Berlin bis Brüssel.

 

Doch:

Sind Wasserkraft-Ausbauten mit vielen „kleinen“ Anlagen in Süddeutschland überhaupt in so großem Stil denkbar?

 

Eindeutig: Ja.

Ein konkretes Beispiel dafür, dass derartiges mit Wasserkraft funktioniert, zeigen die „Allgäuer Überlandwerke“ (AÜW) Kempten. Direkt ab der Südostgrenze von Baden-Württemberg versorgen sie die Bevölkerung (94.000 Personen) mit Strom.

Teils auch aus privat betriebenen Wasserkraftanlagen.

Davon gab es um 1990 im AÜW-Gebiet 20. Bis kurz vor dem Jahr 2000 – also in weniger als 10 Jahren – hatte sich die Zahl dieser 20 Wassertriebwerke auf 40 verdoppelt. Lag der Jahresertrag der 20 ursprünglichen privat einspeisenden Anlagen 1990 bei gut 14 Millionen Kilowattstunden, so schoben die 40 Triebwerke knapp zehn Jahre später etwa 32 Millionen Kilowattstunden ins AÜW-Netz. Also deutlich mehr als doppelt so viel.

 

Die Zahlen allein aus einem knappen Jahrzehnt aus dem Raum Kempten beweisen: Sowohl die Zahl der Wasserkraftanlagen als auch ihre Stromproduktion können verdoppelt werden.

 

Dass das AÜW-Gebiet derartige Erfolge mit erneuerbarer Energie aufweisen konnte, hat nicht zuletzt mit handelnden Personen zu tun:

auch mit Politikern vor Ort.

Zum Beispiel mit dem Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser. Der Sonthofener Kreis-Chef (der seine Heimat damals für die CSU im Münchner Maiximilianeum als Landtagsabgeordneter vertrat) zu seinem Erfolgsrezept:

„Wasserkraftanlagen gehen sicherlich nicht in jedes Naturschutzgebiet, aber an vernünftigen Orten muss man sie genehmigen.“(...) “Da sehen Sie, dass bei Genehmigungsbescheiden zu den einzelnen Triebwerken über 20 Genehmigungen allein in den 90er Jahren ausgesprochen worden sind. Wir haben Leute, die sich gerade im Bereich Kleinwasserkraftwerke darum gekümmert haben, dass genehmigt werden kann. Wir haben mit Fischereivertretern schon mal Ärger. Aber wir setzen uns mit den einzelnen Problemen auseinander. Und so entstehen dann neue Wasserkraftwerke, aber es werden vor allem auch ältere wieder in Schwung gebracht.“

 

Dabei folgte der Landrat seiner Leitlinie:

„Da müssen die Bedenkenträger einen gewaltigen Schritt zurücktreten.“

 

20 Genehmigungen in einem Jahrzehnt in einem bayerischen Landkreis, der an Baden-Württemberg grenzt.

Davon einige an historisch-bewährten Standorten.

Hätte sich jeder der 35 Landkreise in Baden-Württemberg im gleichen Zeitraum ähnlich zielgerichtet verhalten, wären im Südweststaat von 1990 bis 2000 immerhin 700 Wassertriebwerke genehmigt worden. Diese Zahl erreicht selbst die ‚’schön gerededste´

Statistik des Stuttgarter Umweltministeriums bei weitem nicht.

Was heißt hier “Schön gerechnet“? Als das Südwestrundfunk-Fernsehen im Februar 2010 beim Umweltministerium Baden-Württemberg anfragte, wie es zu der Behauptung komme, die Genehmigung eines Wasserkraftwerks im Land dauere durchschnittlich etwa ein halbes Jahr, andererseits aber selbst Stadtwerke schon seit über 20 Jahren auf die Genehmigungen von Wasserkraftwerken harrten, hieß es im Ministerium: Solche Fälle (=20 Jahre warten) seien in der Statistik nicht berücksichtigt.

 

Doch zurück ins grenznahe Oberallgäu:

Mit der Einsicht, dass Wassertriebwerke „nicht in jedes Naturschutzgebiet passen“, aber ansonsten „an vernünftigen Orten“ genehmigt werden sollen, mit Fachleuten auf den Ämtern, die sich darum kümmern „dass genehmigt werden kann“  und ohne wirkliche Scheu vor direkter Auseinandersetzung „mit den einzelnen Problemen“ vor Ort kann der Oberallgäuer Landrat Kaiser Zahlen zur Wasserkraft vorweisen, die ihm die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen auf den Chefsesseln baden-württembergischer Landratsämter damals nicht nachmachten.

 

Dass in Oberallgäu dabei auch „Ärger mit Fischern“ nicht ausgeschlossen wird, setzt freilich politischen Mut voraus. Nicht ohne Erfolg – wie das Beispiel eines Ortes im Oberallgäu beweist:

Oberstdorf.

 

In Deutschlands südlichster Gemeinde lag der Anteil des im Gemeindegebiet verkauften Stroms aus ortseigener Wasserkraft 1990 bei 7%. Im Frühjahr 2011 (mit dem Ausbau eines weiteren Wasserkraftwerks) erreicht er 48%. Also eine Steigerung um das fast Siebenfache. Die gemeindeeigene „Energieversorgung Oberstdorf“ (EVO) setzt stark auf Sonnenenergien samt ihrer Töchter – vor allem Wasserkraft. Gäste, die das Ski-Paradies per Zug bereisen, können schon bei der Ankunft auf den Dächern des modernen Bahnhofs Solarmodule erkennen. Übrigens die ersten kommunal betriebenen auf einem Bahnhof in Bayern.

 

Was 48% des Gesamt-Strombedarfs in Oberstdorf aus erneuerbaren Energiequellen derweil wirklich bedeuten, erkennt erst, wer bedenkt, dass Deutschlands südlichste Gemeinde jährlich von rund zwei Millionen Feriengästen besucht wird. Auch Elektrizität, die diese Zugereisten verbrauchen, deckt die „Energie Versorgung Oberstdorf“ (EVO) ab 2011 zu 48 aus heimisch-erneuerbaren Energiequellen. Hauptsächlich aus ortseigener Wasserkraft.

 

Doch:

Auch in Oberstdorf funktioniert dieser energische Ausbau nicht ohne Streit. Also nicht ohne demokratische Diskussionskultur. Es kam sogar zu einem Bürgerentscheid.

Mehr dazu erfahren Sie bald in Kapitel 7.

 

Hier also Ende des  6 . Kapitels.

Fortsetzung mit Kapitel 7

 

voraussichtlich bis 8. März 1011.

 

Bleiben Sie also bitte mit der stärksten erneuerbaren Strom-Gewinnungs-Quelle in Baden-Württemberg energisch in Fluss und klicken am 8. März wieder auf

 

www.strom-fuer-millionen.de

 

 

Vielen   D a n k    für Ihr Interesse!

 

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